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deutsche Siedlung Rolandia in Brasilien, die nach 1933 unter der Führung des liberalen Reichsjustizministers Erich Koch-Weser und des Zentrumabgeordneten Johannes Schauff mit Protestanten, Katholiken, Sozialisten, Liberalen und Konservativen entstanden war, nahm gerade wegen dieser Vielfalt eine so gute Entwicklung und hat sich nicht verschlossen.

Nachdem die Colonia Dignidad keine religionsstiftende Sekte ist, hätte sie unerläßlicherweise nach Selbstregelungen ihrer Eigentumsverhältnisse alle anderen Formen ihres gewählten Zusammenlebens auf die Sicherung der einzelmenschlichen Rechte nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausrichten müssen. Doch all diese Regelungen - das ist der große Vorwurf, der den Gründern dieser Siedlung zu machen ist - unterblieb. Das Vakuum wurde dann durch die angemaßte Autorität von Paul Schäfer ausgefüllt. Ich bitte einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß Paul Schäfer niemals eine offizielle Funktion in dieser Siedlung innegehabt hat. Auch in einem Protestschreiben der Siedlung mit der Androhung eines Strafantrags gegen mich, der kürzlich von der Staatsanwaltschaft in Würzburg nicht aufgenommen wurde, sind wiederum fünf Mitglieder des Direktoriums benannt, nämlich Hermann Schmidt, der eigentliche Gründer der Siedlung, Kurt Schnellenkamp als Präsident, Hans-Jürgen Blank als Sekretär, Rudolf Cöllen als Schatzmeister und Albert Schreiber als stellvertretender Schatzmeister. Paul Schäfer ist ohne Funktion genannt.

Gerade deshalb also, weil man die Colonia Dignidad nicht nach dem Modell einer Genossenschaft auf der Grundlage der Freiwilligkeit, der ungeschriebenen Rechte des Einzelmitglieds, der Eigentumsgewöhnung und der Erhaltung der Familie als Keimzelle jeder Gesellschaft gegliedert hat, konnte ein einzelner, nämlich Paul Schäfer, diese ungewöhnliche Machtfülle erlangen. Man muß sich einmal vorstellen: Mun oder Renate Wittek, die Begründerin des Heimholungswerks Jesu Christi, ziehen sich zurück auf die Ausübung gottähnlicher Funktionen und überlassen die Wahrnehmung ihrer recht erheblichen wirtschaftlichen Belange