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Schäfer. Er hat ein Sondervokabular, das wert wäre, einmal gehört zu werden. Im Türrahmen stehend sah ich, von der anderen Seite des Flurs kommend, wie er Renate Schnellenkamp -ein zartes Mädchen von etwa 10 bis 12 Jahren-mit den Händen immer ins Gesicht schlug, immer und immer und immer. Was da durch meine Seele ging! Was ich gesehen habe! Aber ich konnte nicht helfen. Dem Kind spritzte das Blut aus der Nase. Schäfer schlug unbarmherzig zu. Ich bin still verschwunden. Hätte ich meine Tränen gezeigt-- Das ist nicht angebracht.

Ich selber habe gelitten, nachdem wir - mein Mann und ich - sieben Jahren getrennt waren. Mir wurde gesagt, als mein Mann nach Chile ging, drei Monate später solle ich nachfliegen. Ich hatte dann noch eine schwerere Operation und vom Arzt die Empfehlung, doch dann nach einigen Monaten zu meinem Mann zu fliegen. Herr Baar hat das nach Chile schriftlich mitgeteilt, blieb aber ohne Antwort. Es durfte nur der nachkommen, der von Schäfer angefordert wurde. Wir hatten über uns, über unser Leben nicht zu bestimmen. Als ich dann nach all den Jahren nach Chile kam, lebten wir noch elf Jahre getrennt unter Umständen, die ich dann einfach nicht mehr ertragen habe. Ich bin 1980 geflohen.

Auf Grund meiner Kenntnis der Sicherheitsanlagen habe ich es geschafft herauszukommen. Herr Schäfer hatte Gebetskreise eingerichtet, die eigentlich die Verlängerung seiner Beichte sind - denn was der Mensch vor Gott sagt, das hat er, hinter der Tür stehend, ausgewertet. Ich habe ihn selber gesehen. Ich bin dann nicht zu diesem bestimmten Kreis, den Herr Schäfer eingeführt und angeordnet hatte, gegangen, sondern bin geflohen. Zum Teil bin ich ohne Schuhe gelaufen; denn es gibt an verschiedenen Stellen Rollkies. Ich wußte, wo die Mikrophone sind; ich wußte, wo die St-Drähte herlaufen. Ich hatte vier, fünf St-Drähte zu durchlaufen. Ich bin zuletzt unter dem Stacheldraht in Bauchlage mit meiner Tasche durch und habe mich so gestellt - wiederum der Platz, den ich kannte -, daß der W 1 keine Einsicht hatte, und bin dann mit einem chilenischen Fahrer gefahren, der mich